Nach Veröffentlichung der Studie der TUM zu Umwelt- und Klimawirkungen des Ökologischen Landbaus (von Prof. Dr. Kurt-Jürgen Hülsbergen et al.) hatte ich einen Kommentar verfasst, der in der agrarzeitung veröffentlicht wurde. Dort wurde in der Rubrik "Debatte" auch der von den Autoren der Studie verfasste Beitrag "Den Automatismus ‚Mehr ökologische Anbaufläche gleich mehr Importe‘ gibt es nicht", der auf einige meiner Kritikpunkte eingeht. Im Folgenden meine Anmerkungen hierzu.
Ich erkenne positiv an, dass Prof. Dr. Hülsbergen sich zu einigen Kritikpunkten an der Studie in der „agrarzeitung“ geäußert hat. Mein Hauptkritikpunkt, dass sich die plakativ dargestellte positive Wirkung des Ökolandbaus nicht ohne Einbeziehung relevanter weiterer Wirkungsbereiche behaupten lässt, wird darin durchaus zugegeben. Gleichzeitig wird die gewählte Vorgehensweise damit gerechtfertigt, dass man wichtige Aspekte weglassen und, mit entsprechendem Hinweis, dennoch den Ansprüchen wissenschaftlicher Arbeiten gerecht wird. Das ist methodisch durchaus akzeptabel, auch wenn ich die gewählte Argumentation an einigen Stellen weiterhin nicht nachvollziehen kann (s. Anmerkungen unten). Umso kritischer ist dann jedoch zu sehen, dass eine zugegeben verkürzte Analyse für plakative Statements zur allgemeinen Überlegenheit des Ökolandbaus herangezogen wird. Den Automatismus „Ökolandbau spart Umweltkosten“ gibt es eben nicht.
Wenn wir praxisorientiert und mit den aktuellen globalen Herausforderungen im Blick an die Sache herangehen, geht es vor allem darum, wie wir eine möglichst vorteilhafte Entwicklungsstrategie für die Landwirtschaft finden können. Hierzu braucht es einen breiten Dialog und - die aktuell in anderen Bereichen viel beschworene -Technologieoffenheit. Ich finde es bedauerlich und bezeichnend, dass dieser Gedanke aus meinem Kommentar in der Stellungnahme keinen Raum findet. Die Diskussion sollte darum gehen, mit welchen Technologien die Versorgung der Menschheit mit Agrargütern am umweltfreundlichsten und kostengünstigsten (inkl. gesellschaftlicher Kosten) erreicht werden kann. Eine Annäherung beider Anbausysteme sollte hierzu möglich sein, wenn man konventionelle und ökologische Landwirtschaft als Spektrum von Technologien begreift, die sich gegenseitig nicht ausschließen. So könnte die Wissenschaft sich weniger intensiv mit der vermeintlichen Überlegenheit des einen oder anderen Anbausystems befassen, und mehr die Entwicklung nachweislich umweltfreundlicher und ertragsstarker Landnutzungssysteme unter Einbeziehung aller Technologien in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen.
Vielversprechende Ansatzpunkte wären der Einsatz regenerativ erzeugten Ammoniaks, die weitere Reduzierung schädlicher Wirkungen des Pflanzenschutzes, die Weiterentwicklung von Fruchtfolgen und Bodenschutzerfahrungen aus dem Ökolandbau sowie eine stärkere Nutzung der Digitalisierung und mehr moderne Pflanzenzüchtung mit Hilfe der Genschere. Entscheidend ist, dass sich Fortschritte in einer wissenschaftlichen Gesamtbetrachtung als vorteilhaft erweisen und damit zur Ökologisierung der gesamten Landwirtschaft beitragen. Auch die Umwelt- und Klimawirkungen des Ökolandbaus ließen sich mit vernünftigem Einsatz von Agrarchemie und modernen Züchtungsmethoden erheblich verbessern.
Solange der Ökolandbau solche Technologien prinzipiell ausschließt, muss er sich der Vermutung aussetzen, dass es seinen Vertretern vor allem um das strikte Einhalten einer 100 Jahre alten Ideologie oder um das Geschäftsmodell Öko geht, das durch hohe Preise, besonders hohe staatliche Förderung zulasten des Gemeinwesens sowie durch sonstige Vergünstigungen einen hohen wirtschaftlichen Erfolg ermöglicht. Beide Gründe sind für eine moderne und wissenschaftsgeprägte Gesellschaft und angesichts der großen globalen Herausforderungen der Landwirtschaft nicht akzeptabel.
Einige Anmerkungen zu den in Prof. Dr. Hülsbergen Artikel vorgebrachten Argumenten möchte ich hier noch ergänzen:
1. Aussagekraft der Studie zum Einsparungspotenzial von Umweltkosten
In ihrer Stellungnahme zur Kritik an der TUM-Studie gehen Prof. Dr. Hülsbergen et al. leider nicht näher darauf ein, dass die in der Studie für den Ökolandbau errechneten Umweltkosten im Vergleich zum konventionellen Anbau sich nur in etwa auf den halben Ertrag beziehen und folglich die Einsparungen von 800 € je Hektar nicht aussagekräftig ist. Der Hinweis, dass die Systemgrenzen genannt worden seien und eine Gesamtrechnung ohnehin zu komplex wäre, mag die Methodik der Studie erklären, ist aber als Begründung für ein irreführend dargestelltes Gesamtergebnis inakzeptabel. Dies gilt vor allem dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, das Ergebnis als Beweis für das hohe Einsparpotential des Ökolandbaus aktiv in der Öffentlichkeit publiziert und erwartungsgemäß von vielen Seiten, ohne Bewusstsein für die Beschränkungen, gefeiert wird.
Die aus der Studie weithin aufgegriffene Aussage, dass bei 30% Ökolandbau 4 Mrd. Umweltkosten eingespart würden, ist auf der Grundlage der Studie unseriös. Hier fehlen zahlreiche bedeutende Aspekte, insbesondere die für den Ausgleich des Minderertrags entstehenden Produktions- und Umweltfolgekosten sowie die Kosten, die durch entfallende Umweltleistungen entstehen. Die gemachten allgemeinen Aussagen, es könne sich ja das Konsumverhalten anpassen sind nicht unterlegt und überzeugen deshalb nicht. Es gilt weiterhin: Der bei 30% Ökolandbau für den Erhalt der Nahrungsmittelproduktion fehlende Ertrag von 200 Mio. GE wird nicht bewertet, ja nicht mal erwähnt. In welcher Größenordnung diese Faktoren liegen, habe ich in meinem Kommentar zur Studie vereinfacht berechnet. Statt zu einer Einsparung von 4 Mrd. Umweltkosten komme ich zu über 10 Mrd. € zusätzlichen Produktions- und Umweltfolgekosten.
2. Das Ertragsniveau
Die Studie belegt mit eigenen Zahlen, dass Ökofruchtfolgen nur um die 50% der Erträge von konventionellen Betrieben erreichen, obwohl zumindest bei den Marktfruchtbetrieben auch die Gründüngungserträge, die nicht entnehmbar sind, als Ertrag gewertet wurden. Dass internationale Studien bei Ökolandbau zu höheren relativen Erträgen kommen, liegt meist daran, dass sie entweder Erträge einzelner Kulturen und nicht diejenigen von Fruchtfolgen vergleichen oder optimale Ökolandbausysteme mit der vorherrschenden Praxis einander gegenüberstellen. Potentialvergleiche entsprechen meist weitgehend den Ertragsdaten der Studie. Im Übrigen dürfte es wohl nur selten genauer erfasste und zutreffendere Daten geben als die in der Studie verwendeten. Wieso diese Zahlen von den Autoren der Studie infrage gestellt werden, ist nicht nachvollziehbar. Wiederum, es geht nicht darum, ob an einzelnen Stellen andere Werte in Studien vorkommen, sondern um den Punkt, dass Ökolandbau bei der Ertragsleistung erheblich abfällt, ohne hier einen ausreichenden Zusatznutzen zu begründen.
3. Treibhausgasemissionen
Dass die Treibhausgasemissionen beim Ökolandbau je GE etwas geringer sind als beim konventionellen Landbau, ist keine neue Erkenntnis. Sie trifft jedoch nur auf die mit dem Anbau verbundenen Emissionen zu, also diejenigen, die durch Bodenbearbeitung, Säen, Düngen etc. entstehen. Zieht man in Betracht, dass bei Ökolandbau, um den gleichen Ertrag zu erzielen, ein zweiter Hektar für den Anbau genutzt werden muss, ergibt sich ein völlig anderes Bild. Mit dem Anbau des zweiten Hektars muss dort auf eine Nutzung mit höherer CO2-Bindung verzichtet werden, so dass die entgehenden CO2-Bindungen dem Ökolandbau als Opportunitätsverluste anzulasten sind. Dies führt dazu, dass beim Ökolandbau die CO2-Emissionen je GE im Vergleich zum konventionellen Anbau meist mehr als das 1,5fache betragen.
Die Ergebnisse der TUM-Studie zeigen, dass die mit dem Anbau verbundenen Umweltkosten in den konventionellen Marktfruchtbetrieben mit 19 € je GE sogar erheblich geringer sind als die 24 € je GE in den Ökobetrieben und bei den Milchviehbetrieben der Unterschied mit 26 € bei den konventionellen Betrieben nur geringfügig höher ist als die 24 € je GE im Ökolandbau. Die TUM-Studie liefert somit den Nachweis, dass es, abweichend von der Regel, auch Fälle gibt, bei welchen allein die beim Anbau entstehenden Umweltkosten je GE beim Ökolandbau sogar höher sind als beim konventionellen Anbau.
4. Importquote und Selbstversorgungsgrad
Weiterhin wird in der Stellungnahme mit nicht geeigneten Zahlen operiert. Der angegebene Selbstversorgungsgrad von 87% scheint die Produktion von tierischen Produkten aus importierten Futtermitteln zu enthalten. Das statistische Jahrbuch 2021 macht auf Seite 146 differenzierte Angaben und dürfte als seriöse Quelle akzeptiert sein. Der dort ausgewiesene Selbstversorgungsgrad beträgt 80% plus 8% tierische Produkte, die aus importierten Futtermitteln erzeugt werden. Bei Umrechnung der 8% an tierischen Produkten in die dafür nötigen Primärkalorien ergibt sich schon derzeit eine erhebliche Importabhängigkeit. Überdies haben die Importe an Agrargütern in den letzten Jahren zugenommen und das Defizit in der Handelsbilanz stieg kräftig an (siehe www.germanexport.org). Dieser Anstieg belegt zwar keinen kausalen Zusammenhang mit der Ausdehnung des Ökolandbaus, er fällt jedoch zeitlich mit der Ausdehnung des Ökolandbaus zusammen. Im Übrigen sollten die bereits gegenwärtig sehr hohen Nettoimporte an Agrargütern dringend reduziert werden. Dazu ist auch bei geringerem Fleischkonsum eine hohe Flächenproduktivität erforderlich, und eine weitere Extensivierung durch Ökolandbau wird den „virtuellen Flächenimport“ eher erhöhen statt vermindern. Der in der Stellungnahme genannte Selbstversorgungsgrad von über 130% bei Schweinefleisch berücksichtigt wohl auch nicht den aus Importfutter produzierten Anteil. Hier wird eine Überproduktion suggeriert, die es in der Wirklichkeit nicht gibt.
5. Konsumverhalten
Die erwähnte Reduktion des Fleischkonsums kann den höheren Flächenbedarf des Ökolandbaus nur zu etwa der Hälfte kompensieren. Erst bei Deckung des nach einer potentiell möglichen Reduktion des Fleischkonsums verbleibenden Nahrungsmittelbedarfs durch eine ertragreiche Landwirtschaft kommt der Vorteil des geringeren Fleischkonsum voll zu Geltung, weil bei hohen Erträgen wesentlich mehr Fläche für ökologisch wertvolle Nutzung freigesetzt wird. Auch dies habe ich in meinen Unterlagen dargelegt.
6. Bioenergie
Hinsichtlich der Flächennutzung für Bioenergie ist sicher richtig, dass hier eine Verbesserung der ökologischen Effizienz angegangen werden sollte. Eine Einschränkung der Bioenergiefläche zugunsten des Ökolandbaus dürfte jedoch weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll sein. Ökolandbau emittiert CO2, während beispielsweise Kurzumtriebs-plantagen (KUP) die Vermeidung von etwa 8 bis 9 Tonnen CO2äq je Hektar ermöglichen (siehe Wissenschaftlicher Beirat des BMEL von 2007). Auch bei den übrigen Umweltwirkungen bieten einige Verfahren der Bioenergiebereitstellung Vorteile im Vergleich zum Ökolandbau. Welche Verfahren in der jeweiligen Situation letztlich vorzuziehen sind, ist auf der Grundlage von umfassenderen Analysen zu entscheiden.
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