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Herbert Ströbel

Ist das Lob der GAP-Reform auf der Grünen Woche angebracht?

Aktualisiert: 24. Jan. 2023

Ökologisierung durch Extensivierung oder Technologischen Fortschritt?


Auf der „Grünen Woche 2023“ wurde in der Agrarministerkonferenz in großer Runde wieder einmal darüber diskutiert, wie die Agrarproduktion nachhaltig und krisenfest gestaltet werden kann. Dabei wurde die ab 2023 gültige Reform der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP-Reform) als wesentlicher Fortschritt und als Vorbild präsentiert. Ihre Schwachpunkte fielen dabei weitgehend unter den Tisch. Dabei gibt es etliche.


Das Credo dieser Reform ist die Ökologisierung durch Extensivierung, die vor allem durch massive Ausdehnung des Ökolandbaus, eine Mindestflächenstillegung, pauschale Reduktion des Pestizideinsatzes sowie einige Ökoregeln erreicht werden soll. Wie die daraus resultierenden Mindererträge von schätzungsweise 20%-25% ausgeglichen werden sollen, wird nur vage erwähnt. Vor allem fehlt eine klare Abschätzung der Folgen für Klima und Umwelt, wenn Europa seine ohnehin schon hohen Nettoimporte an Agrargütern noch ausdehnt und den Weltmarkt zusätzlich belastet. Dabei wächst die weltweite Ackerfläche schon derzeit jährlich um etwa 10 Millionen Hektar zulasten von Wäldern und Grasflächen, die für Klima und Umwelt weitaus wertvoller sind als Ackerland, auch wenn es ökologisch bewirtschaftet wird. Einfache Berechnungen lassen befürchten, dass die negativen Wirkungen des zusätzlichen Flächenbedarfs auf Klima und Artenvielfalt die positiven Effekte aus der GAP-Reform übersteigen und somit die Reform ihre Hauptziele verfehlt.

Die GAP-Reform durchzuführen ohne eine klare und sachgerechte ökologische und auch wirtschaftliche Folgenabschätzung vorzulegen, ist in hohem Maße unverantwortlich. Nur die Wirkungen im Inland zu betrachten ist wissenschaftlich falsch und dem Problem nicht angemessen.

Für Mindererträge oder Mehrkosten durch Extensivierungen erhalten die Landwirte einen finanziellen Ausgleich. Eine wesentliche Finanzierungsquelle dafür ist die Umwandlung der früher voll einkommenswirksamen Direktzahlungen in die Kompensation von Verlusten oder Mehrkosten. Damit bezahlen die Landwirte zu einem erheblichen Teil diese Reform mit. Hinzu kommt die Bewältigung des Bürokratiemonsters GAP-Reform. Der dafür erforderliche zeitliche und gedankliche Aufwand ist immens und geht weitgehend zulasten von fachlichen Fortschritten in Management und Produktionstechnik. Überdies verursachen die vielen Regeln Unsicherheit und großen Frust in den Landwirtsfamilien, zumal großräumig gültige Vorgaben sich für den Betriebsstandort oft als unsinnig erweisen. Die früher belächelte sowjetische Planwirtschaft lässt grüßen. Bisher blieben überraschenderweise massive Aufschreie der Landwirte aus und selbst die ideale Plattform Grüne Woche wurde von den Berufsvertretungen nicht für einen breiten Protest gegen die GAP-Reform genutzt. Man resigniert und beschränkt sich auf kleine Stellschrauben im System. Ist das der Anfang vom Ende unserer leistungsfähigen Landwirtschaft?


Der Übergang zu extensiver Wirtschaftsweise, wie dem ökologischen Landbau, verursacht nicht nur eine Halbierung der Produktionsmengen je Hektar, sondern auch erhebliche höhere Produktionskosten, die über Subventionen und höhere Preise gedeckt werden müssen. Nahrung wird somit teurer und für sozial schwache Haushalte zunehmend unerschwinglich. Oft werden die höheren Produktionskosten im Ökolandbau damit gerechtfertigt, dass dies eben der Preis sei, der für qualitativ hochwertige Nahrungsmittel und eine umweltfreundliche Agrarproduktion zu zahlen ist. Die vorliegenden Untersuchungen renommierter Institute zeigen jedoch keinen höheren gesundheitlichen Wert von Öko-Produkten und bei sachgerechter Berücksichtigung des höheren Flächenbedarfs des Ökolandbaus wirkt dieser negativ auf Klima und Umwelt, so dass eine Rechtfertigung für die höheren Kosten nicht gegeben ist bzw. in einer Folgenabschätzung erst nachgewiesen werden müsste.


Deutschland hat zurzeit einen Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln von 80% und weitere 8% werden über Lebensmittel tierischen Ursprungs gedeckt, die mithilfe importierter Futtermittel im Inland produziert werden. Bekanntlich benötigt eine Kilokalorie aus tierischen Produkten etwa sieben pflanzliche Kalorien, so dass bereits jetzt die Ernährung zu einem erheblichen Teil von Importen abhängt und Deutschland mit einem Food Security Index von 77 in Europa auf einem der letzten Plätze liegt. Eine weitere Reduktion der inländischen Agrarproduktion durch Extensivierung gefährdet die inländische Versorgungssicherheit und kann nicht im Interesse einer verantwortlichen Politik sein, zumal auch die negativen Wirkungen der Importe im Ursprungsland und global zu beachten sind.

Aus Gründen des globalen Klima- und Artenschutzes wäre statt einer Ausdehnung unbedingt ein Rückgang der Nettoimporte anzustreben. Geeignete Mittel dafür wären neben der Reduktion des Fleischkonsums und der Nahrungsmittelverluste auch die Steigerung der Flächenproduktivität mit Hilfe von Technologien.

Auf diesem Wege könnten dann auch mehr Flächen für Naturschutzgebiete bereitgestellt werden ohne anderswo Flächen unter den Pflug zu nehmen. Fraglich ist ohnehin, wie der in Montreal beschlossene Anteil von 30% geschützten Gebieten erreicht werden soll, wenn der Ausdehnung des Ackerlands nicht über höhere Erträge Einhalt geboten wird.


Die Ökologisierung über Extensivierung hat eine Reihe von Nachteilen. Es ist deshalb dringend erforderlich, die Ökologisierung der Landwirtschaft mit Hilfe von Technologie stärker in den Blick zu nehmen. Zuerst ist die ideologisch bedingte pauschale Reduzierung ertragssteigernder Produktionsmittel durch die GAP-Reform auf den Prüfstand zu stellen und wissenschaftlich korrekt ökologisch zu beurteilen. Aufgrund des stark flächeneinsparenden Effektes von Mineraldüngung und Pflanzenschutz ist davon auszugehen, dass ihre auch in der GAP-Reform zum Ausdruck kommende Ächtung einer streng wissenschaftlichen Prüfung nicht standhält. Weiterhin sind technologische Fortschritte und neue Technologien, die einer umwelt- und artenfreundlicheren Agrarproduktion dienen, zu identifizieren und gezielt zu fördern. Wichtige Ansatzpunkte dafür liegen in der Digitalisierung und in der modernen Züchtung. Aber auch die zunehmende Nutzung von regenerativem Ammoniak und Fortschritte bei der Reduktion schädlicher Wirkungen von Pflanzenschutzmitteln bieten hohes ökologisches Potential.


Insgesamt ist nicht nachvollziehbar, dass die EU die Probleme von Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt durch eine umfassende Extensivierung lösen will, die zu Mindererträgen führt, die Produktionskosten massiv steigert und aufgrund des wesentlich höheren Flächenbedarfs den Klimawandel fördert und der Artenvielfalt schadet. Dabei ist doch offenkundig, dass der Bedarf an Nahrungsmitteln auch bei reduziertem Fleischkonsum weltweit erheblich steigt, die ohnehin schon knappen Ackerflächen durch Bevölkerungswachstum, Klimawandel, Degeneration und Siedlungsflächen global zusätzlich unter Druck geraten und schon jetzt mit der Rodung von Wäldern und dem Umbruch von Grasland zunehmend wichtige Ökosysteme weltweit zerstört werden und die Ausdehnung des Ackerlands größer ist als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit.

In dieser Situation ist die Ökologisierung durch umweltfreundliche Steigerung der Flächenproduktivität die eigentliche Herausforderung. Um diese zu meistern, bedarf es den Einsatz und die Weiterentwicklung umweltfreundlicher und leistungssteigernder Technologien.

Also mehr Ökologisierung durch Technologie statt durch Extensivierung und eine entsprechende Änderung der Prioritäten für Forschung und Entwicklung in der Agrarwirtschaft.

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