Ich bin den Kollegen Harald von Witzke und Holger Kichmann dankbar um Ihre Reaktionen auf mein Papier. Mit freundlicher Genehmigung stelle ich sie hier zur Verfügung:
Stellungnahme zum Diskussionspapier von Prof. Dr. Herbert Ströbel
mit dem Titel: Jenseits der Öko-Illusion: Gedanken zu einer verantwortungsvollen Landwirtschaft
von Prof. a. D. Dr. Dr. h. c. Harald von Witzke,
Humboldt-Universität zu Berlin und Humboldt Forum für Agrikultur e. V.
Die Kontroverse Debatte um die aus Sicht der Gesellschaft zu bevorzugte Wirtschaftsweise dominiert die derzeitige öffentliche Debatte sowohl in Deutschland als auch in der Europäischen Union. Das Diskussionspapier von Professor Ströbel wendet sich aus wissenschaftlicher Sicht genau dieser Debatte zu, die bekanntlich nach wie vor kontrovers geführt wird. Das Diskussionspapier von Professor Ströbel ist daher außerordentlich zeitgerecht. Es ist von hoher wissenschaftlicher Qualität. Es ordnet die Debatte um alsternative Formen der landwirtschaftlichen Produktionsweisen, nämlich die moderne, innovative und produktive Landwirtschaft einerseits sowie die weniger produktive und auf traditionellen Methoden beruhende sogenannte Ökoproduktion andererseits korrekt ein und trägt daher zu einer informierten und sachlich fundierten Diskussion der genannten Wirtschaftsweisen bei.
Zum Verständnis der öffentlichen Debatten ist es hilfreich sich daran zu erinnern, dass diese begannen in den 1980er Jahren an Intensität zuzunehmen. Diese Zeitperiode war durch drei für die Landwirtschaft und die Agrarpolitik zentrale Phänomene gekennzeichnet. Das eine war die von etwa 1870 bis 2000 währende Periode tendenziell sinkender Agrarpreise, was zu einer lang andauernden Abnahme landwirtschaftlicher Unternehmen geführt hatte – ein Prozess, der auch durch massive Agrarpreisstützungen letztendlich nur verzögert, nicht aber aufgehalten werden konnte. Das zweite war die durch die Agrarpolitik verursachte Überschussproduktion in der EU, die zu hohen Fiskalausgaben geführt hatte und daher letztendlich nicht durchgehalten werden konnte. Zum Dritten begannen damals die politischen Entscheidungsträger (nicht nur in Europa) zu der Ansicht zu gelangen, dass letztlich - aus deren Ansicht – zu viel (wie es damals oft hieß) Fläche in der landwirtschaftlichen Produktion eingesetzt wurde. Als Folge wurde die Agrarpolitik in Europa und anderswo in zweierlei Hinsicht signifikant verändert. Zum einen wurde die Agrarpreisstützung durch direkte und weniger die Produktion stimulierende Subventionen abgelöst. Zum anderen wurde die Stilllegung von landwirtschaftlich genutzten Flächen gefördert sowie weniger produktiven Wirtschaftsweisen wie etwa der Ökolandwirtschaft subventioniert. Unter diesen Bedingungen und mit der Überzeugung, dass sich zu viel Flächen in der landwirtschaftlichen Nutzung befinden und dass daher landwirtschaftlich nutzbarer Boden nicht wirklich knapp ist, schienen die seinerzeit durchgeführten Reformen der Agrarpolitik plausibel - jedenfalls wenn man über den wachsenden Importbedarf von Nahrungsgütern der armen Länder der Welt hinwegsah.
Die Kritik an der modernen und sog. konventionellen Landwirtschaft hatte sich entzündet an den negativen externen Effekten der Landwirtschaft. Dies sind Kosten der landwirtschaftlichen Produktion die nicht durch die verursachende Landwirtschaftliche Produktion getragen werden. Hierzu gehören nach Auffassung der Kritiker der modernen Wirtschaftsweise u. a. der Rückgang der Biodiversität, incl. des Rückgangs von Bestäubern und anderen Insekten, sowie die Ausbringung von Pflanzennährstoffen in Form von Mineraldünger. Besonders der Einsatz des durch das energieintensive Haber-Bosch Verfahren hergestellten Stickstoffdüngers und synthetische Pflanzenschutzmittel wurden auch aus Gründen des Klimaschutzes kritisiert.
Zu Zeiten des Überflusses in der europäischen und weltweiten Agrarwirtschaft mag die Konzentration auf die rein lokalen, regionalen oder nationalen Effekte zumindest dann ein wenig verständlich gewesen sein, wenn man über den Hunger v. a. der armen Länder der Welt und dessen schlimme Folgen hinwegsah.
Allerdings können die genannten mildernden Umstände für die fehlerhafte Beurteilung dieser Form der Agrarproduktion und die Subventionierung von Wirtschaftsweisen, die den global immer knapper werdenden landwirtschaftlich nutzbaren Boden weniger produktiv nutzen unter den neuen globalen Rahmenbedingungen nicht mehr geltend gemacht werden. Denn die Jahrtausendwende markiert auch eine Megatrendwende in der Weltlandwirtschaft. Die Zeiten des Überflusses sind zu Ende gegangen. Sie werden gefolgt von der neuen Ära der Knappheit. Seit der Jahrtausendwende steigen die Agrarpreise tendenziell an. Und diese Entwicklung wird sich auf absehbare Zeit fortsetzen. Die Folgen des Kriegs in der Ukraine haben diese Entwicklung noch deutlich verstärkt. Es gibt keine Überschüsse in den Lägern der Europäischen Union, deren Räumung den Hunger in den armen Ländern der Welt, in Afrika oder anderswo, in hinreichendem Umfang in Krisenzeiten verfügbar gemacht werden könnten. Die neue Ära der Knappheit in der Weltagrar- und -ernährungswirtschaft zeigt sich auch durch eine rasch zunehmende Knappheit des weltweiten für die Agrarproduktion verfügbaren Naturkapitals wie Wasser, natürliche oder naturnahe Lebensräume und Biodiversität. Außerdem ist die globale Klimaallmende mit Klimagasen übersättigt.
Die Einordnung der durch geringere Flächenproduktivität gekennzeichnete Ökoproduktion als umwelt- und klimafreundlicher als die produktive moderne Wirtschaftsweise ergibt sich bei Betrachtung lediglich der lokalen Effekte. Eine solche Betrachtungsweise mag man als akzeptabel angesehen haben, als Boden noch als mehr als reichlich vorhandene Ressource angesehen hat. Im neuen Zeitalter der globalen Knappheit ist sie es ganz und gar nicht mehr.
Boden für die landwirtschaftliche Nutzung wird zunehmend knapper. Wenn in Europa oder in Deutschland die Produktion zurückgeht, wird dieser Produktionsausfall durch eine zusätzliche Ausdehnung der landwirtschaftlichen Nutzflächen kompensiert. Dieser Effekt wird in der wissenschaftlichen Literatur auch als indirekte Landnutzungsänderung bezeichnet. Dabei gehen weltweit in erheblichem Umfang natürliche bzw. naturnahe Lebensräume verloren und es werden große Mengen an Klimagasemissionen generiert. Diese globalen externen Kosten der weniger produktiven Ökolandwirtschaft übersteigen die rein lokalen Externalitäten bei weitem. So liegen die Klimagasemissionen in Deutschland und weltweit im Durchschnitt bei etwa 4 t CO2e je ha. Die durch die Ausdehnung der Ökoflächen verursachte indirekte Landnutzungsänderung in Form der zusätzlichen Flächenausdehnung in anderen Teilen der Welt übersteigt bei weitem die geringeren negativen Externalitäten auf den Ökoflächen. Dies gilt nicht nur für die Emission von Klimagasen, sondern auch für die weltweite Biodiversität.
Die Beschränkung der Beurteilung alternativer Formen der Landbewirtschaftung auf der Basis lediglich der lokalen Effekte ist daher schlicht irreführend. Es ist das Verdienst der Arbeit des Autors dieses überzeugend gezeigt zu haben. Die Analyse ist korrekt und umfassend. Es ist das Verdienst des vorliegenden Diskussionspapiers, den zentralen methodische Fehler der traditionellen Einschätzung der Umweltwirkungen des Ökolandbaus umfassend entlarvt zu haben. Die Arbeit stellt einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag dar.
Kommentar von Prof emer Dr Holger Kirchmann, Swedish University of Agricultural Sciences
Danke für die intressante und inhaltsreiche Kurzfassung. Es war spannend zu lesen wie sie die wichtigsten Argumente in einer logischen Weise, korrekt und ohne Vorbehalte beschreiben. Die Tatsache dass der grössere Bedarf an landwirtschaftlicher Fläche für den Ökolandbau grosse Nachteile für die biologische Vielfalt und die Emissionen hat wird ganz deutlich. Die Argumente für eine effektive Anwendung der landwirtschaftlichen Flächen leuchten wie ein Scheinwerfer durch den ganzen Text.. Vielleicht is gerade dieses Argument das wichtigste um Politiker und einflussreiche Menschen zum Nachdenken anzuhalten. Alle anderen Argumente sind wichtig aber die ineffektive Flächennutzung ist dass was am meisten überzeugt.
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