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8 Thesen für mehr Ökologie in der Landwirtschaft - Ökologisierung in der Breite statt Fokussierung auf den Ökolandbau

Herbert Ströbel

8 Thesen für mehr Ökologie in der Landwirtschaft  - Ökologisierung in der Breite statt Fokussierung auf den Ökolandbau -

Eine Anregung zur Diskussion

von Herbert Ströbel

Prof. a.D. für Angewandte Landwirtschaftliche Betriebslehre an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf


Der Ökologische Landbau wird in Gesellschaft und Politik weithin als der richtige Weg zu einer umwelt- und klimaverträglichen Landwirtschaft gesehen. Viele glauben, dass eine naturnahe Pro­duktion auto­matisch gut für Gesundheit, Klima und Umwelt sei. Verbraucher hinterfragen dieses eingängige Narrativ kaum, zumal Teile der Wissenschaft die positive Beurteilung von „Bio“ bestä­tigen, negative Aspekte aber oft ausblenden. Auch viele Medien lassen bei diesem Thema ihre übliche kritische Grundhaltung vermissen. Dies führt zu einer breiten Befürwortung durch Gesell­schaft und Politik und einer starken Fokussierung von Förderung, Forschung und Beratung auf den Ökologischen Landbau. Auf der Strecke bleibt dabei die Transformation der gesamten Landwirt­schaft, die ein weitaus größeres Potenzial für eine breite und effektive Ökologisierung bietet.


1. Die Ökologisierung der Landwirtschaft über eine Priorisierung des Ökolandbaus ist wenig erfolg­reich und teuer
  • Die aktuellen Rahmenbedingungen zielen auf eine Ökologisierung der Landwirtschaft über eine starke Priorisierung des Ökolandbaus. Schon jetzt ist absehbar, dass dieses Ziel auf diesem Wege nicht erreicht werden kann und außerdem mit einer Reihe von Nachteilen verbunden ist.

  • Trotz starker staatlicher Förderung über mehr als 30 Jahre erreicht der Ökolandbau 2023 in Deutsch­land nur einen Flächenanteil von 11,4% an der landwirtschaftlichen Nutzfläche und der monetär ge­messene Beitrag der Ökoprodukte zum Lebensmittelumsatz betrug nur 6,3%. Aufgrund der höheren Preise ist ihr mengenmäßiger Anteil sogar noch geringer. Geht man nur vom 1,6 bis 1,8fachen Preis der Ökoprodukte aus, beträgt der Mengenanteil der Ökoprodukte weniger als 5% (selbst bei einer Aus­dehnung auf 30% der Fläche wird der mengenmäßige Beitrag nur wenig höher als 10% liegen). Im Umkehrschluss heißt dies, dass 95% der Lebensmittel nach wie vor konventionell erzeugt werden.

  • Während die konventionelle Landwirtschaft nur etwa 200 € je Hektar an Direktzahlungen erhält, beträgt diese Förderung beim Ökolandbau in Bayern circa 500 € je Hektar. Rechnet man den oben dargelegten höheren Flächenbedarf ein, ergibt sich ein Fünffaches an Subventionen für eine Tonne Getreide: Für acht Tonnen Ertrag benötigt der Ökolandbau zwei statt nur einen Hektar und erhält so eine Subvention von 125 € je Tonne (2 ha x 500 € = 1000 €) während der konventionelle Anbau 25 € je Tonne erhält (1 ha x 200 € = 200 €). Da die zusätzliche Förderung zu keinem gesellschaftlichen Mehr­wert führt, sondern zu deutlich höheren Produktions- und Umweltkosten, ist sie weder ökologisch noch sozial oder wirtschaftlich zu rechtfertigen.

  • Kostenschätzungen zeigen, dass 30% Ökolandbau in Deutschland etwa 10 Mrd. Euro zusätzliche Produktions- und Klimakosten verursachen und damit den Staatshaushalt und die Budgets priva­ter Haushalte erheblich zusätzlich belasten würden. Hinzu kommen Opportunitätskosten durch ent­gange­nen Nutzen aufgrund vernachlässigter umwelt- und klimarelevanter Forschung und Entwicklung in der konventionellen Landwirtschaft.

2. Die konventionelle Landwirtschaft sollte Hauptzielgruppe für die weitere Ökologisierung sein
  • Die konventionelle Landwirtschaft produziert etwa 95% der Agrarprodukte, so dass die nachweislich möglichen Verbesserungen in der Umweltwirkung und in der Nahrungsmittelqualität sehr große Hebel­wirkungen entfalten können.

  • Mit der Priorisierung der Fördermittel und der Forschungs- und Beratungskapazitäten für den Öko­land­bau wird bisher die technologische Weiterentwicklung der konventionellen Landwirtschaft vernach­lässigt und mögliche effektive Fortschritte in der Breite bleiben ungenutzt.

  • Nutzung und Weiterentwicklung aller ertragssteigernden und flächensparenden Technologien wie Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie moderner Pflanzenzüchtung, verbunden mit einem starken Engagement zur Minimierung negativer Wirkungen auf Umwelt und Qualität, erfüllen die Kriterien einer wirklich gesell­schaftlich verantwortlichen Landwirtschaft weitaus besser, als die hoch subventionierte und auf falschen Annahmen basierende breit unterstützte und trotzdem wenig erfolgreiche Ausweitung des ökologischen Landbaus.


3. Eine umfassende Transformation der Landwirtschaft braucht eine Ökologisierung in der Breite statt der Fokussierung auf den Ökolandbau
  • Die hohe Priorität des Ökolandbaus bei der staatlichen Förderung und beim Einsatz der Forschungs-, Lehr-, Beratungs- und Verwaltungskapazitäten ist nicht zu rechtfertigen. Für Umwelt und Gesellschaft wäre es vorteilhafter, diese beträchtlichen Ressourcen für optimierte Lösungen für die gesamte Landwirt­schaft einzusetzen.

  • Welche Technologie beispielsweise bei Düngung und Pflanzenschutz zum Zuge kommt, sollte - wie in der Medizin mit Erfolg praktiziert - allein von den Wirkungen der eingesetzten Mittel abhängen, nicht von ihrer natürlichen oder synthetischen Herkunft.

  • Eine ertragreiche Landwirtschaft erhöht den Selbstversorgungsgrad. So könnte die ökologisch sinn­volle regionale Versorgung erhöht, die Verlagerung von schädlichen Wirkungen zulasten anderer Regionen der Welt vermindert und vor allem die Abhängigkeit der Ernährungssicherung von globalen Märkten redu­ziert werden, die gerade in Zeiten des Klimawandels und vieler politischer Krisen auf der Welt ein hohes und zunehmendes Risiko darstellt.

  • Wissenschaft, Politik und Verwaltung sollten sich daher, ohne wertvolle Zeit zu verlieren, auf die Nutzung und Weiterentwicklung zukunftsträchtiger Technologien konzentrieren und die verfügbaren finanziellen und personellen Ressourcen vor allem darauf ausrichten, die bestehende konventionelle Landwirtschaft so zu verbessern, dass sie in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht ihre Vorteile noch weiter ausbaut.


4. Die positiven Klima- und Umweltwirkungen des Ökolandbaus werden allgemein überschätzt 
  • Es stimmt, dass der Ökolandbau im Vergleich zum konventionellen Anbau nur etwa die halbe Menge an Klimagasen je Hektar emittiert. Er erbringt aber durchschnittlich auch nur etwa die Hälfte des Ertrags und benötigt für die Produktion der gleichen Menge Nahrungsmittel so die doppelte Fläche. Vergleicht man die Emissionen, die direkt durch den Anbau einer Tonne Nahrung entste­hen, bietet der Ökolandbau keine nennenswerten Klimavorteile.

  • Der Ökolandbau verursacht jedoch indirekt weitere hohe CO2-Emissionen: Die zusätzlich er­forder­­liche landwirtschaftliche Nutzung von Flächen geht hauptsächlich zulasten von Wäldern und anderen natur­nah genutzten oder sogar geschützten Flächen, die deutlich mehr Treibhausgase als der Ökolandbau binden und außerdem einen größeren Artenreichtum aufweisen. 

  • Als Folge des höheren Flächenbedarfs belastet der Ökolandbau die Atmosphäre je Kilogramm Nah­rungs­mittel mit deutlich mehr klimaschädlichen Gasen als die konventionelle Landwirtschaft und hat negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt.

  • Die aus dem niedrigeren Ertrag resultierenden Nachteile des Ökolandbaus werden sich in Zukunft kaum verringern, da sich der Ökolandbau durch selbst auferlegte Beschränkungen nur begrenzt Fort­schritte in der Züchtung und in Anbautechnologien erschließen kann. Im Gegensatz dazu, lassen diese Fort­schritte beim konventionellen Landbau aufgrund der größeren Produk­tions­mengen erheb­liche posi­tive Entwicklungen bei Ertrag, Klima- und Umweltfaktoren sowie Nahrungsmittelqualität erwarten, so dass die Unterschiede voraussichtlich noch größer werden.


5. Die Qualität der Produkte aus dem Ökolandbau wird gemeinhin überbewertet
  • In unseren Nahrungsmitteln ist eine Reihe natürlicher Giftstoffe enthalten. Nur weniger als ein Promille der täglich aufgenommenen Schadstoffe stammt aus Rückständen von Pflanzenschutzmitteln. Bei tierischen Produkten gab es 2022 bei allen Proben aus beiden Produktionssystemen (öko und konventionell) keine Grenzwertüberschreitungen, bei pflanzlichen Produkten zeigten überhaupt nur 1,3% aller Proben Rück­stände über den gesetzlichen Höchstmengen. Diese stellen aber kein Verbraucherrisiko dar, da sie die hierfür relevanten erlaubten Tagesdosen (ETD) deutlich unter­schreiten. Unterhalb der Höchstwerte sind Ökoprodukte zwar mit weniger Rückständen belastet, dies hat aber keine gesundheitliche Relevanz.

  • Synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel sind schon heute oft weniger umweltbelastend oder giftig als im Ökolandbau eingesetzte vergleichbare Mittel natürlicher Herkunft. Eklatant ist die Abhängigkeit des Ökolandbaus von Kupferfungiziden, die sehr umweltschädlich, sowie um ein Viel­faches toxischer für Regenwürmer, Insekten und Vögel sind, als synthetische Fungizide. Syntheti­sche Mittel bie­ten über­dies größere Entwicklungspotentiale zur Reduzierung von Aufwandmengen und der weiteren Risiko-minderung als natürliche. Eine leistungsfähige Forschung und Entwicklung im Bereich der Düngung und des Pflanzenschutzes ist deshalb notwendig. Wir brauchen sie auch, um phytosanitären Krisen (Pflanzenepidemien) und Resistenzen effektiv und schnell begegnen zu können.

  • Öko-Produkte sind auch nachweislich nicht „besser“:  In anonymen sen­sorischen Tests konnten bezüglich des Geschmacks keine Vorteile festgestellt werden. Zu beachten ist auch, dass pflanzliche Öko-Pro­dukte häufig eiweißärmer sind, weil ihnen weniger Stickstoff zur Eiweißbildung zur Verfügung steht. Sie sind außer­dem häufiger mit hochgiftigen Mykotoxinen belastet, für die es bisher keine Grenzwerte gibt. Die höhere Belastung betrifft vor allem Importe, die bei Ökoprodukten überproportional vertreten sind. Eine Reihe von Studien kommt daher zum Schluss, dass Bioprodukte insgesamt nicht gesünder sind (darunter eine besonders umfassende Studie der Stanford University).

  • Ein Verzicht auf die positiven Wirkungen einer ertragreichen konven­tionellen Land­wirtschaft auf Klima, Umwelt und Gesellschaft ist deshalb aus Gründen der Produktqualität nicht zu rechtfertigen.


6. Die höheren Produktions- und Umweltkosten des Ökolandbaus sind wirtschaftlich und gesellschaftlich relevant
  • Die Produktionskosten von Agrargütern sind beim Ökolandbau um 60 bis 80% höher als bei der kon­ventionellen Landwirtschaft. Zusammen mit den im Markt realisierten überproportional höheren Han­delsspannen bei Ökoprodukten, führt dies zu deutlich höheren Kosten der Nahrungsmittel­produktion und zu deutlich höheren Preisen für Lebensmittel, ohne dass dies durch anderen gesellschaftlichen Nutzen gerechtfertigt wäre.

  • Hinzu kommen die sehr viel höheren Umweltkosten, die vor allem mit dem größeren Flächenbedarf zusammen­hängen. Überdies entstehen mittel- und langfristig zusätzliche Kosten durch den häufig beobachteten Ertragsrückgang beim Ökolandbau.


7. Ausdehnung des Öko-Landbaus exportiert Flächennutzungen und Umweltkosten zusätzlich 
  • Eine Ausdehnung des Ökolandbaus auf 30% der landwirtschaftlich genutzten Fläche, wie er von der Bundesregierung angestrebt wird, würde aufgrund des hälftigen Ertrags je Hektar den Gesamtertrag etwa um 15% mindern. Um diesen Minderertrag auszugleichen, sind bei konventioneller Nutzung 15% und bei Ökolandbau 30% Fläche zusätzlich erforderlich. Dieser Zusatzbedarf ist nicht immer voll sichtbar, weil u.a. realisierte Ertragssteigerungen in der konventionellen Landwirtschaft aus­gleichend wirken.

  • Da die zusätzlich notwendigen Flächen im Inland kaum verfügbar sind, muss die Flächenausdeh­nung vorwiegend im Ausland erfolgen, so dass der Ökolandbau dort zur Ausdehnung landwirtschaftlicher Flächen führt und damit öko­logisch wertvollere Flächennutzungen reduziert.

  • Schon jetzt entspricht der Nettoimport von Agrargütern den Erträgen von nahezu 7 Mio. Hektar und die Erträge von etwa 5 Mio. Hektar werden allein zur Deckung unseres Nahrungsmittelbedarfs netto importiert.


8. Reduzierter Konsum tierischer Produkte bringt in Verbindung mit konventioneller Landwirt­schaft mehr für die Umwelt als in Kombination mit Ökolandbau
  • Ernährung mit weniger Kalorien aus Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs reduziert den Flächenbe­darf und ist in begrenztem Umfang vorteilhaft für die Umweltverträglichkeit der Landwirtschaft.

  • Ein reduzierter Konsum tierischer Produkte hat in Verbindung mit konventioneller Landwirtschaft eine deutlich positivere Wirkung auf Klima und Umwelt als in Verbindung mit Ökolandbau. Wiederum ist hier der geringere Flächenbedarf konventioneller Wirtschaftsweise ausschlaggebend, durch den deutlich mehr Flächen für eine umwelt- und klimafreundlichere Landnutzung verfügbar bleiben.

  • Eine Reduzierung des Fleischkonsums in vernünftigem Umfang würde es in Verbindung mit konventio­neller Landwirtschaft sogar ermöglichen, dass Deutschland ohne Nettoimporte an Lebensmitteln aus­käme und sogar zusätzliche Flächen für naturnahe Nutzung oder nachhaltige Rohstoff- und Bio-Energieerzeugung freisetzen könnte. Das bedeutet, dass auch bei zunehmender Substitution tierischer Lebensmittel durch biotechnologisch hergestellte Ersatzprodukte die ökologische und wirtschaftliche Überlegenheit einer ertragreichen Landwirtschaft gegeben sein wird.


Die Ausführungen basieren im Wesentlichen auf folgender Publikation:

Ströbel, Herbert. 2024. "Is More Organic Farming a Responsible Strategy? An Appeal for Responsible (Sustainably Intensive) Agriculture" Sustainability 16, no. 10: 4114. https://doi.org/10.3390/su16104114

Kurzfassungen dazu und weitere Ausführungen sind verfügbar unter www.herbert-stroebel.info


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